Was wäre, wenn wir Pflanzen als Lebewesen und nicht als Konsumgüter behandeln würden.

«Menschen bauen Städte, wo Natur war. Dann bringen sie die Natur wieder in die Städte zurück. Irgendwie paradox.»

Wir dekorieren unser Heim mit Pflanzen, wir gestalten Landschaften und Gärten, Parkanlagen, Strassen und ganze Städte. Neuerdings hat auch Architektur und Design (3) Pflanzen für sich entdeckt … alles aus gutem Grund, denn Pflanzen machen unser Zuhause schöner, sie bunkern Co2, geben Sauerstoff, filtern unsere Luft von Schadstoffen und machen Städte in der Sommerhitze kühler.

Das ist auch alles in Ordnung, solange wir Verantwortung für die korrekte Pflege übernehmen. Pflanzen bereichern unseren Alltag in fremder Umgebung, gewähren wir ihnen bestmögliche Pflege. Auch wenn sich ein Baum dann plötzlich auf einem Haus in hundert Metern Höhe wiederfindet. So wie auf dem Foto auf dem Bosco Verticale in Mailand. (2)

Baumgesellschaft-Blog-Topfpflanzen-biophile Architektur

Unsere Topfpflanzen

Doch fangen wir gedanklich Mal am Boden und bei uns zuhause an. Wir nehmen Pflanzen aus ihrem gewohnten Lebensumfeld und stecken sie in einen Topf. Doch woher kommen denn unsere Zimmerpflanzen? Wo würden sie wachsen, wenn sie nicht in unserem Topf wären? Wie würden diese Pflanzen in freier Natur leben? Machen sie sich vertraut mit ihrer Pflanze. Sie haben nun die Verantwortung. Nur wir können ihr einen adäquaten Platz zuordnen, sie mit Wasser und Licht versorgen. Denn die Pflanze selbst kann das in ihrem Topf ja nicht mehr.

Monstera deliciosa: Trend und Designklassiker

Ich darf Ihnen als Beispiel die allseits beliebte Zimmerpflanze Monstera vorstellen. Sie ist eine Kletterpflanze, ein Epiphyt. Das sind Pflanzen, die auf anderen Pflanzen wachsen. Sie entwickelt Erd- und Luftwurzeln, die dem Halt und der Nahrungsaufnahme dienen. Die Pflanze wächst in den tropischen Gebieten Mittel- und Südamerikas und wurde Mitte des 19. Jahrhunderts nach Europa gebracht und kultiviert.

Die Monstera mag also hohe Luftfeuchtigkeit, weil sie aus den Tropen stammt. Das Badezimmer wäre also ein sehr geeigneter Platz. Sie mag einen hellen Standort, aber kein direktes Sonnenlicht und vor allem keine Zugluft. Giessen einmal pro Woche, manchmal lieber alle zwei Wochen. Die Luftwurzeln wachsen bei uns im Wohnzimmer genauso wie in Südamerika, wir Menschen finden sie allerdings nicht sehr ästhetisch. Also einfach wegschneiden? Respektvollerweise nicht, legen sie die Luftwurzeln in den Topf hinein. Wenn sie ihrer Monstera etwas Gutes tun möchten, dann wischen sie ihre grossen Blätter von Zeit zu Zeit feucht ab und entfernen den Staub. Das fühlt sich für sie wie ein bisschen Heimat an.

Baumgesellschaft-Baumblog-Beitrag-Topfpflanzen-Monstera deliciosa-Botanischer Garten

Monstera deliciosa im Tropenhaus …

Baumgesellschaft-Baumblog-Mensch und Natur-Beitrag-Topfpflanzen-Monster deliciosa

… und bei mir zuhause

Adoption für Pflanzen

Zufällig bin ich bei Recherchen im Internet auf botanoadopt gestossen. Eine Internetseite von einem Künstlerduo mit dem Namen 431art. Haike Rausch und Torsten Grosch setzen sich in ihrem Adoptions-Projekt sehr kreativ für eine neue Sicht auf Pflanzen ein.

Ein kleiner Test gefällig, wie geeignet sie sind, eine Pflanze bei sich aufzunehmen? Das können sie gleich hier in der Checkliste von botanoadopt überprüfen.

«Folgende Fragen sollten Sie für sich beantwortet haben, bevor Sie eine Pflanze adoptieren möchten:

1. Haben Sie ausreichende Kenntnisse und Erfahrung über/mit Pflanzen oder sind bereit, sich diese vor Adoption anzueignen?
2. Können Sie Ihrer Wunschpflanze den benötigten Standort bieten?
3. Haben Sie bedacht, das Pflanzen wachsen und zukünftig ggf. mehr Raum benötigen?
4. Pflanzen brauchen ab und zu neue Erde, einen neuen Topf oder medizinische Versorgung. Können Sie dafür jährlich einen Betrag
von Euro 5,- bis Euro 20,- (je nach Pflanze) aufbringen?
5. Pflanzen können sehr alt werden. Sind Sie bereit, eine langfristige Beziehung mit ihnen einzugehen?
6. Sind Ihre Pflanzen versorgt, wenn Sie in Urlaub fahren?
7. Pflanzen sind Individuen. Sind Sie bereit, Sie liebevoll und mit Respekt zu behandeln?
8. Pflanzen sind Mitbewohner. Möchten Sie in einer Gemeinschaft leben?
9. Sind Sie bereit, die Sprache der Pflanze zu lernen?
10. Sind Sie sich darüber im Klaren, das Pflanzen in Bezug auf das menschliche Empfinden extrem zeitverzögert reagieren,
da ihr Biorhythmus wesentlich langsamer, als der von Säugetieren und Menschen ist?
11. Sind Sie bereit, Ihre Pflanze auch dann zu hegen, pflegen und nach allen Kräften zu unterstützen, wenn Sie krank, unansehnlich
oder von Parasiten befallen wird?
12. Sind Sie bereit, mit Ihrer Pflanze verbal, mental oder emotional zu kommunizieren?

Wenn Sie mehr als zwei Fragen mit nein beantwortet haben, sollten Sie Ihren Adoptionswunsch überdenken.» (1)

Baumgesellschaft-Blogbeitrag-Topfpflanzen-Kakteen

Was uns zu Beginn amüsant erscheint, erhält soviel mehr an Bedeutung, wenn wir versuchen, Zimmerpflanzen aus einer neuen Perspektive zu betrachten. Schaffe ich mir heute ein Haustier an, dann muss ich doch auch sicherstellen, dass ich Platz und Zeit für das Tier habe. Man informiert sich, was das Tier braucht, um gesund leben zu können. Warum macht man das bei Pflanzen nicht? Warum kann man Zimmerpflanzen ohne schlechtes Gewissen wegwerfen, wenn sie vertrocknet sind? Das «Ich habe einfach keinen grünen Daumen» Argument stösst auf grösstes, gegenseitiges Verständnis und gibt oft einen guten Scherz ab.

Verantwortung und Respekt

Pflanzen sind so verschieden von uns Menschen, dass viele sie nicht als Lebewesen sehen. Ihnen wird Bewusstsein und Intelligenz abgesprochen. Das tat man auch bei Tieren, oder? Doch welche überraschenden Erkenntnisse hat man in den letzten fünfzig Jahren über die Intelligenz von Tieren herausgefunden und welche gesellschaftliche Dynamik hat dies ausgelöst:  von Tierschutz, artgerechter Tierhaltung bis hin zu veganer Ernährung.

Ich hoffe, die nächsten fünfzig Jahren gehören den Pflanzen und der schrittweisen Entdeckung ihres für uns bisher verborgenen Lebens. Und wir lernen, Verantwortung zu übernehmen und respektvoll zu sein. So wie es der kleine Prinz schon vor langer Zeit gemacht hat.

«Du bist ewig verantwortlich, was du dir vertraut gemacht hast. Du bist für deine Rose verantwortlich.»

Antoine de Saint-Exupéry

P.S. Noch viele andere machen sich Gedanken zu Topfpflanzen

Für alle, die Kabarett und Kleinkunstbühnen mögen: Josef Hader, ein Kabarettist aus Wien, hat ein Lied über das Leben von Topfpflanzen geschrieben. Sowohl Hader als auch sein Topfpflanzen-Lied sind legendär in Österreich.

(1) Checkliste von botanoadopt

(2) Bosco Verticale

(3) Biophilic Design, Biophilic Architecture