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In der Zuger Woche werden jede Woche auf der letzten Seite unter der Rubrik „Gwunderland Zug“ diverse Einsendungen von Lesern publiziert. Ich freue mich, dass im April 2021 sogar ein ganzer Artikel von mir veröffentlich wurde.

Der Platz der traurigen Platanen

Vor einigen Tagen besuchte ich ein Einkaufszentrum in Zug, dessen Parkplatz mit Alleen von Platanen gesäumt ist. Was für einen traurigen Anblick doch diese Bäume, so kahl und bis auf die Hauptäste beschnitten, abgaben. Die Wucherungen an den Schnittstellen bezeugen, dass diese Bäume schon seit vielen Jahren dieser jährlichen Prozedur unterzogen werden. Gestatten Sie mir dazu Gedanken nieder zu schreiben, die vielleicht sonst keinen Platz in unserem Alltag finden und auf den einen oder anderen sogar skurril wirken, die aber zumindest eine Chance auf eine neue Sichtweise bieten.

Welt der Pflanzen

Dazu ein kleiner Ausflug in die Welt der Pflanzen: Die aktuelle Wissenschaft geht davon aus, dass Pflanzen ein Bewusstsein haben. Der italienische Biologe Stefano Mancuso erklärt dies in seinem Vortrag «Are plants conscious?» (youtube.com/watch) für alle Interessierten sehr verständlich. Die Wissenschaft anerkennt weiter ein Gedächtnis von Pflanzen. Pflanzen lernen ihr Leben lang und geben diese Informationen auch an Nachkommen in ihren Genen weiter. Viele Wissenschaftler weltweit (Mancuso, Baluska, Zlinszky, Jahren, nur um einige zu nennen) sprechen heutzutage ganz selbstverständlich von einer Intelligenz der Pflanzen. Forscher aus Finnland und Österreich schreiben, dass Bäume schlafen und die Universität in Dänemark entdeckte, dass Bäume etwas Ähnliches wie einen Herzschlag aufweisen. Unter Bäumen gibt es eine vielfältige Kommunikation über unterschiedliche Kanäle. Unter dem Begriff «Wood Wide Web» findet man im Internet unzählige Beiträge, die einen erstaunen lassen. Auch ein Video von Peter Wohlleben zur «Kommunikation der Bäume» eröffnet neue Horizonte (youtube.com/watch).

Platanen beim Herti

Denken wir nun wieder an die Platanen auf dem Parkplatz des Einkaufszentrums. Was bedeutet ganz allgemein ein Rückschnitt für einen Baum oder eine Pflanze? Ist es vergleichbar mit Haareschneiden? Leider nein, eher mit Finger abschneiden, denn Äste sind lebendiges Gewebe. In einem Vortrag «Das geheime Leben der Bäume» von Peter Wohlleben erklärt er, dass bei einem stark beschnittenen Baum eine Art Notfallprogramm eingeleitet wird. Der Baum braucht Blätter, um seine Photosynthese ausführen zu können. Das ist die Grundlage für seine Ernährung und letztlich für sein Überleben. Nimmt man ihm durch einen radikalen Rückschnitt diese Möglichkeit, muss der Baum in kürzester Zeit für Nachwuchs und ausreichend Blätter sorgen. Was von uns Menschen als dichter und gesunder Nachwuchs empfunden wird, ist schlichtweg ein Überlebenskampf.

Bäume leben langsam

Immer wieder begegnet mir in Büchern oder Vorträgen ein ähnlicher Gedanke (unter anderem bei Hope Jahren), den ich gerne mit ihnen teilen möchte: Pflanzen gibt es rund 400 Millionen Jahre länger auf dieser Erde als Menschen. Forstwirtschaft existiert seit rund 300 Jahren. Wer kann da noch glauben, dass Wälder gerade auf uns gewartet haben und unsere Hilfe oder Bäume einen Schnitt zur Auslichtung der Krone benötigen. Bäume sind nicht laut und ihr Leben ist langsam, so anders als unser eigenes. Deshalb möchte ich heute meine Stimme exemplarisch für die traurigen Platanen erheben. Eine Stimme für mehr Respekt. Wir nehmen Bäume aus ihrem natürlichen Lebensraum und pflanzen sie mitten auf einen Parkplatz, um die Umgebung zu verschönern und unsere Lebensqualität zu verbessern. Gut, aber lasst uns das doch mit Respekt tun und extreme Rückschnitte überdenken. Muss das unbedingt sein oder tun wir es, weil es einfach immer schon so war.